Globalisierung und Daseinsvorsorge

Globalisierung und Daseinsvorsorge

Als Daseinsvorsorge gilt die Gesamtheit der öffentlichen Einrichtungen und Dienste, die wir für die allergrundlegendsten Dinge benötigen wie Wasserversorgung, Krankenhäuser und Schulen sowie Energieversorgung und und Infrastrukturen für unsere Mobilität und Kommunikation. In einer modernen Gesellschaft mit acht Milliarden Menschen können wir uns nicht mehr eigenständig mit sämtlichen lebensnotwendigen Dingen versorgen. Der Zugang zu diesen Einrichtungen muss allen Menschen gleichermaßen möglich sein, denn ohne sie ist ein Leben in Würde und – in mancher Hinsicht – Leben generell nicht mehr möglich.

Für Markt und Wettbewerb ist die Daseinsvorsorge zunächst uninteressant. Aus Sicht von Kapitalanlegern können diese Einrichtungen niemals die Kosten wieder einspielen, die sie verursachen. Daseinsvorsorge ist nur möglich, wenn die Gesellschaft Geld für die großen Infrastrukturinvestitionen in die Hand nimmt und den flächendeckenden Betrieb sicherstellt.

Das weltweit krisenhaft aufgeblähte Finanzkapital sucht nach profitablen Anlagemöglichkeiten. Nach lebensnotwendigen Dingen und Diensten besteht eine sichere und dauerhafte Nachfrage. Damit Privatunternehmen mit der Daseinsvorsorge Rendite machen können, soll – aus ihrer Sicht – der Staat die Infrastrukturkosten und den Auftrag der allgemeinen Versorgung übernehmen, gewinnträchtige Teilbereiche hingegen auslagern. Dies geschieht seit Jahrzehnten in gewaltigem Umfang im Zuge von Privatisierungen. Dabei werden die Anlagen für einen Bruchteil ihres Wertes verkauft. Die neuen Eigentümer sparen dann regelmäßig an der kostspieligen Instandhaltung der Infrastruktur, treiben die Preise in die Höhe und bauen Personal ab.

Kein Bereich der Daseinsvorsorge bleibt dauerhaft bei privaten Anlegern: Wenn die Infrastruktur so heruntergekommen ist, dass der Betrieb kaum oder gar nicht mehr möglich ist, wird sie abgestoßen, die Grundsanierung muss dann wieder öffentlich übernommen werden. Dann kann neu privatisiert werden – ein für die Allgemeinheit ruinöser Kreislauf. Mit dem Instrument der Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP, englisch: PPP) wird dieser Mechanismus institutionalisiert: Die Verträge laufen 15 bis 30 Jahre und erlauben in dieser Zeit private Profite, danach geht die Einrichtung zurück an den Staat. Während der Vertragslaufzeit wird mit den ÖPP-Verträgen ein schwunghafter Handel auf globaler Ebene betrieben – durchschnittlich nach sieben Jahren erfolgt der erste Weiterverkauf der Daseinsvorsorge, meist haben die neuen Eigentümer ihren Sitz in einer sogenannten Steueroase.

Infrastrukturen der Daseinsvorsorge machen einen wesentlichen Anteil des öffentlichen Vermögens aus. Steigende Staatsverschuldungen und Privatisierungen haben dazu geführt, dass dieses Vermögen in vielen Ländern der Welt in den letzten 40 Jahren halbiert wurde, während gleichzeitig die privaten Vermögen erheblich gewachsen sind. Diese Entwicklung gab es auch in Deutschland: Von 1970 bis 2022 ist das öffentliche Vermögen im Verhältnis zur Volkswirtschaft insgesamt von einem Drittel auf ein Zwanzigstel geschrumpft – der Sanierungsstau in der Daseinsvorsorge hat seinen Grund in öffentlicher Armut.

Privatisierungen sind kein Naturgesetz, sie sind menschengemacht. Internationale Handelsverträge wie TTIP, TISA und CETA haben das Ziel, den weltweiten Handel mit Daseinsvorsorge noch weiter zu erleichtern und Risiken für die Anleger möglichst klein zu halten. Neoliberal regierte Staaten vernachlässigen die ihnen anvertraute Infrastruktur und behaupten dann, nur weitere Privatisierungen könnten die selbst geschaffenen Probleme lösen.

Gegen Privatisierungen gibt es Widerstand. Die meisten Menschen wissen, dass sie dabei betrogen und ausgeraubt werden. Sie erkämpfen sich ihre Daseinsvorsorge zurück, wo irgend sie nur können. Vor erneuten Privatisierungen schützen breite öffentliche Beteiligung, eine Funktionsweise, die das Allgemeinwohl in den Blick nimmt statt das einzelne Unternehmen, Öffentlichkeit sowie Elemente öffentlicher Beteiligung bei wichtigen Entscheidungen.

Zum Weiterlesen:

  • Auernheimer: Wie gesellschaftliche Güter zu privatem Reichtum werden. Über Privatisierung und andere Formen der Enteignung, PapyRossa, Köln 2021.
  • Mattert, Valentukeviciute, Waßmuth: Gemeinwohl als Zukunftsaufgabe, Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin, 2017.
  • Engartner: Staat im Ausverkauf. Privatisierung in Deutschland, Campus, Frankfurt 2016.
  • Rügemer: ‚Heuschrecken‘ im öffentlichen Raum, Public Private Partnership – Anatomie eines globalen Finanzinstruments, Transcript, Bielefeld 2008.

Einige Möglichkeiten zum aktiv werden:

  • Gemeingut in BürgerInnenhand, www.gemeingut.org
  • Bündnis Bahn für Alle, www.bahn-fuer-alle.de
  • Bündnis Klinikrettung, www.klinikrettung.de
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